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Allgemein Barrierefrei Design für alle Experten-Interview
11. November 2013

Design für alle

Interview mit Mathias Knigge

Heute reicht es nicht, ausschließlich barrierefreie Lösungen anzubieten, um Bauherren u. a. verschiedener Lebensumstände zu erreichen. Nur Bäder, die komfortabel und attraktiv sind, sind wirklich ansprechend. So ein Ergebnis aus dem Interview mit Mathias Knigge.

Wo liegt der Grundgedanke des Design für Alle?

Mathias Knigge: Das Ziel lautet: Unsere Umwelt so zu gestalten, dass die Teilhabe für alle Menschen möglich ist. Anstatt aber nur für wenig berücksichtigte Nutzergruppen Speziallösungen zu entwickeln, liegt der Ansatz des Design für alle darin, attraktive Angebot für breite Zielgruppen zu schaffen, die für einige notwendig und für alle komfortabel sind. So wird die bodengleiche Dusche mit Wellness und Luxus in Verbindung gebracht, wenn sie nicht  nur als Spezialprodukt für Rollstuhlfahrer kommuniziert wird.

Wer profitiert vom Design für Alle?

Knigge: Die Lösungen sind für 10 Prozent der Menschen unentbehrlich, für 40 Prozent sehr hilfreich und für 100 Prozent komfortabel. Das liegt daran, dass neben körperlichen, sensorischen oder kognitiven Behinderungen, das Augenmerk auf die menschliche Vielfalt ausgerichtet ist: Senioren, Kinder, Schwangere, Menschen anderer Kulturen, um einige zu nennen. Sie alle profitieren von Erleichterungen und weniger Barrieren.

Wo liegt für Sie der Unterschied zur Barrierefreiheit?

Knigge: Barrierefreiheit ist ein rein funktionaler Ansatz: durch den Abbau oder die Vermeidung von Barrieren wird die Nutzung unabhängig von möglichen Einschränkungen ermöglicht. Design für Alle geht einen Schritt weiter und fordert ästhetische Lösungen, die für größere Zielgruppen attraktiv sind. Auf diese Weise wird menschliche Vielfalt über alters- oder behinderungsbedingte Einschränkungen hinaus berücksichtigt und die Produkte werden ansprechend, zukunftsweisend und marktfähig.

Welche Dimensionen sind ausschlaggebend?

Knigge: Die zentrale Dimension ist die Nutzerfreundlichkeit: Dazu gehören z. B. geringe Bedienkräfte an Armaturen oder gut wahrnehmbare Beschriftungen. Des Weiteren wird eine hohe Flexibilität und Adaptierbarkeit von Produkten gefordert. Dies kann durch die Höhenverstellbarkeit eines Waschtisches genauso gewährleistet sein wie die Berücksichtigung von Linkshändern. So wird die Verwendbarkeit für einen möglichst großen Nutzerkreis ohne aufwändige Anpassung an den individuellen Bedarf gesichert. Im besten Falle ermöglichen intelligente Schnittstellen die Nutzung individueller Hilfsmittel wie z. B. eines Rollstuhls. Der Anspruch an die ästhetische Qualität wird im Design für Alle großgeschrieben. Er vermeidet Stigmatisierung und ein rein defizitorientiertes Vorgehen. Entsprechend werden attraktive Produkte gesucht, die sich nicht nur als Lösung für ein körperliches Problem anbieten. Eine wesentliche Rolle spielt  der nutzerorientierte Entwicklungsprozess. Durch die Einbindung potenzieller und tatsächlicher Nutzer können Unternehmen sicherstellen, dass frühzeitig vielfältige Anforderungen integriert werden.

Ist Design für Alle ein nationaler Ansatz?

Knigge: Nein, Design für Alle ist ein europäischer Ansatz (Design for All). Seit vielen Jahren hat sich auf internationaler Ebene der „EIDD – Design for All Europe“ mit Partnern in 23 europäischen Staaten vernetzt. Neben dem fachlichen Austausch wird hier besonders auf Politik und Verwaltung Einfluss genommen.

Diplom-Designer und -Ingenieur Mathias Knigge beschäftigt sich seit fast 10 Jahren mit der Entwicklung demografiefester und barierefreier Produkte. Das Interview mit ihm wurde anlässlich des Awards „Badkomfort für Generationen“ vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) geführt. Der ZVSHK ist einer der Initiatoren von Aktion Barrierefreies Bad (ABB). 

Foto Knigge: Grauwert